Tatort: Drei-Seen-Halle Illmensee, Samstag 20 Uhr. Zur allerbesten „Sendezeit“ gehen dem Serien-Krimihelden die Augen über. Zu seinem Heinz-Erhardt-Abend „Die Made“ strömen etwa 480 Gäste. In der „Schlüsselszene“ gegen 21.30 Uhr, Gnann hatte per Handy beim Hackl Schorsch Chickenhaxen geordert, wirkt er fast sprachlos.
ILLMENSEE (sel) Denn Hackls charmante Chefhostess Ildiko serviert binnen Minuten eine Riesenportion des Illmenseer Kultgerichts auf offener Bühne. Dass Bernd Gnann, gebürtig von einem Bauernhof in Bad Schussenried-Reichenbach, nach 12 Jahren und zahlreichen Hauptrollen am Staatstheater Stuttgart die Theaterbühne - vorerst - verlassen hat, ist ein Riesengewinn für die bunte Welt der Comedy und des Kabaretts.
Sein Soloprogramm "Die Made. Ein lustiger Heinz Erhardt Guten Abend" befruchtet das Genre der leichteren Muse ungeheuer. Woher und warum das Publikum so zahlreich herbei geströmt war, ist nach fast 2,5 Stunden kurzweiligster Schauspielkunst klar geworden: Der minutiöse Mix aus Können, Klamauk und Komödiantentum stimmt gar köstlich. Ab nächstem Jahr wird der Vielseitige wieder zum Theatermann, wenn er im September 2009 die Leitung des Kammertheater Karlsruhe übernimmt.
Birgit Riegger, Oberorganisatorin des Geburtstagsprogramms zum 25. Jubiläum der Öffentlichen katholischen Bücherei Illmensee, konnte erst aufatmen, als auch der letzte Nachzügler seinen Platz in der Drei-Seen-Halle gefunden hatte. Doch sofort nach den ersten Tönen des Begleitduos "Die Aufmugger" hupft Bernd Gnann auf die improvisierte Bühne an der Saalseite und brennt ein Spontanfeuerwerk seiner Volks-Kunst ab, das erst nach mehr als zweieinhalb Stunden Spielzeit mit einem Finale Furioso enden sollte – Gnann als Mireille Mathieu im ruckenden und zuckenden, aufjaulenden und abschnappenden Playback. Hier zu hatte der unvergessene Travestie-Star Gordy vor mehr als einem Jahrzehnt die künstlerische Messlatte unverschämt hoch gelegt. Bernd Gnann konnte da jedoch mühelos ran reichen.
Ganz anders trat er bei seinen Interpretationen der skurrilen Gedichte von Heinz Erhardt auf. Lange Jahre hatte sich 'der Dicke mit der dicken Brille' als Kasper der Wirtschaftswundergeneration in dümmlichen Filmchen und Fernsehproduktionen verschlissen -- der Hintersinn seiner Gedichte ist den meisten Zuhörern damals verschlossen geblieben. Jetzt, über 30 Jahre nach seinem Tod, gibt es ein Revival, an dem Bernd Gnann heute nicht ganz unschuldig ist. Dabei geht der 34-Jährige -- wenigstens in der Illmenseer Aufführung -- völlig eigene Wege. Statt des maskenhaft-starren Vortrags des altmeisterlichen Übervaters Heinz Erhard hat er sich völlig vom Vorbild gelöst und spielt in seiner Interpretation das Können und die artistische Beweglichkeit als jugendfrischer Entertainer gnadenlos aus. Da wird geröchelt, gerülpst gezischt und gemampft, im Dialog mit sich selbst und dem hingerissenen Publikum gekaspert und gekonnt gemimt. Dass dabei durchaus valentinische Spontankomik heraus kommen kann, lieferte die im Saal bejubelte Einspielung in der Gnann einen Hobbyschafzüchter beim Füttern fragt, ob er denn auch zu seinem Heinz Erhardt Abend käme? Die trockene, treuherzige Antwort des Ortsbekannten: "Noi, meine Frau kommt heute aus der Kur, da will die sicher was anderes sehen". Solche Sternstunden sind für den Protagonisten und sein Publikum selten, aber schön, wenn man dabei gewesen sein durfte.
(Erschienen: 20.10.2008)